Weil es letztes Jahr so schön war, machen wir es dieses Jahr nochmal:
Zum zweiten Mal findet „Denkmal trifft Kunst“ statt. Historisch war das Bodenburger „T“ bis in die 80er-Jahre hinein ein Ort des Handels und der Begegnung. Teile der Gewerbestrukturen sind bis heute noch zu sehen. An die Tradition des Handels, aber auch um die historischen Gebäude zu würdigen, möchten wir erinnern.
Zum Tag des offenen Denkmals am 11. September 2022 öffnen einige Bodenburger denkmalgeschützte Fachwerkhäuser ihre Tore: Man hat die Möglichkeit hinter die Fassaden zu schauen und in Scheunen, Hinterhöfen und an anderen verborgenen Ort Kunstwerke entdecken. Von 11 bis 18 Uhr gibt es die Möglichkeit 14 Künstlerinnen und Künstler mit ihren Ausstellungen an acht Veranstaltungsorten zu entdeckt.
Das sich sich dieses Jahr mehr historische Ausstellungsorte als im letzten Jahr beteiligen, wird es auch einen Oldtimershuttle geben. Besucherinnen und Besucher können damit zu den verschiedenen Ausstellungsorten fahren.
Startpunkt ist das „Fachwerkhuhn“ an der Lamspringer Straße 8 in Bodenburg. Dort gibt es dann weitere Informationen über die Ausstellungsorte in Bodenburg. Für das leibliche Wohl ist ebenfalls gesorgt.
„Sie lebte ein paar Jahre im Dazwischen und hielt keine Zahlen aus.“ – Vielleicht würde ich das gerne einmal über mich preisgeben. Vielleicht würde ich es aber auch lieber vergessen. Ich habe mit einem Freund gesprochen über die verlorenen sieben bis zehn Jahre – die kennt er auch. Wir kennen uns aus genau diesem Dazwischen, aus einer Klinik. Wir holen inzwischen wieder auf… nachholen können wir das alles nicht, was uns in diesen Jahren entgangen ist. Nachholen und Aufholen sind zwei verschiedene Dinge. Beim Aufholen sind wir so fokussiert auf den Vorderen, dass die Fahrt selbst ausgeblendet wird. Wir holen nicht nach, wir können nur in die vordere Reihe springen.
Ich habe schon immer gerne gespielt und baue gerade eine Sammlung aus, die aus Karten- und Brettspielen besteht. Die ist tatsächlich in Quantensprung-Geschwindigkeit gewachsen. Gerade haben besagter Freund und ich Radlands für uns entdeckt – ein dystopisches Kartenspiel. Du bist darin eine Gang aus Cyborg-Punks. Zerstöre die Lager der Feinde in einer Wasserumkämpften gefallenen Welt – für mich hat dieses Spiel etwas Nostalgisches. Denn ich habe die kultivierte Weltuntergangssehnsucht in den vergangenen Jahren abgelegt, die Melancholia, sie liegt hinter mir: Nach dreieinhalb Jahren Fachwerkhuhn.
Duellspiel mit Sog
Wir als WG haben gebastelt, gebaut, geschraubt und gespachtelt, dabei ist der Flur erneuert, die Treppe aufgefrischt und die Küche überholt worden. Wir haben zwei sehschwache Katzen aufgenommen und sind einem Rentner-Tanzverein beigetreten. Wir hatten einige suspekte sowie einige zarte und zugleich praktisch veranlagte Zwischenmieter*innen. Wir haben einige Zeit WG-Sport gemacht und tragen nun trotzdem Corona Größe 40-44. Ich habe mich zwischendurch nach Frankfurt beworben, um einem big city life zu frönen, dem ich doch wahrscheinlich gar nicht gewachsen bin – zum Glück habe ich den Job nicht bekommen. Ich arbeite jetzt in einem Spieleladen in Hannover und mache dort eine Umschulung. Zu was, ist eigentlich nicht so wichtig. Wichtig ist, ich bleibe noch eine Weile im Fachwerkhuhn und lasse mir die Hofsonne auf den Hut scheinen.
Spannend ist, diese Zeit ist im Flug vergangen, tatsächlich fühlt es sich so an, als wäre ich in die vordere Reihe gesprungen. Plötzlich bin ich hier, dreieinhalb Jahre nach Einzug. Ich muss nichts nachholen, denn diesen Druck gibt es hier nicht. Ich musste aus einem Dazwischen in ein Jetzt und irgendwie fühle ich mich da angekommen. Und sollte die Welt demnächst untergehen, dann ohne mich, ich bin auf diesem Hof, hier ist irgendwie alles ein bisschen gut (Vor allem haben wir einen secret stash aus Tomatenmatsch, was kann da schief gehen?!).
„Ich habe dein Söldnerlager zerstört und damit habe ich wohl gewonnen“, sage ich zu besagtem Freund. Der Freund lächelt und bietet mir eine Hofzigarette an. Es ist Anfang Juni und wir setzen uns in die Sonne auf die Hoftreppe und schweigen vergnügt.
Auf Englisch heißt Heuboden hayloft, und das entsprach der Lage unseres Restheus direkt unter dem Giebel der Scheune viel mehr als Heuboden – das Wort könnte den Eindruck geben, dass das Heu auf einem Boden liegt, statt auf ein paar losen wurmstichigen Brettern.
Vor ein paar Jahren haben wir schon einmal einen Anlauf genommen, die großen Mengen uralten, staubigen und schimmeligen Heus und Strohs aus der Scheune zu holen, aber vor der letzten freischwebenden Lage haben wir dann kapituliert.
Am Wochenende haben wir einen erneuten Anlauf genommen, und diesmal ist es gelungen! Zwei Leute haben sich unter dem Dach mit Klettergurten gesichert und das alte Stroh in Bigbags auf den darunter liegenden Boden abgelassen, wo es nun auf weitere Verwendung/den Recyclinghof wartet.
Es war schön, mal wieder so viele nette Leute auf einmal im Haus zu haben, und natürlich gab es vegane Mettbrötchen. Das hier ist ein gutes Rezept dafür.
Hallo und frohes neues Jahr 2023! (Darf man bis Juli allen wünschen, denen man vorher nicht begegnet ist). Hier ist einiges passiert. Katalin ist ausgezogen, Jan ist jetzt freiwilliger Feuerwehrmann, in der Scheune wohnen Trecker zur Miete, in zwei Zimmern sind neue Risse in den Wänden aufgetaucht. Die sind scheinbar nicht schlimm, aber es stehen jetzt trotzdem Baustützen in der Durchfahrt. Jan und Kerstin haben die Küche repariert und es ist ein paar mal in verschiedenen Räumen der Strom ausgefallen. Und mit einiger Verspätung habe ich es geschafft auch endlich hier einzuziehen. Mir war vor dem Umzug gar nicht klar, wie viel Zeug ich habe! Ein Rest steht immer noch in Braunschweig (‚tschuldigung, Astrid!). Ein Teil wird wahrscheinlich für die nächsten paar Jahre auf dem Dachboden verstauben, und eine beachtliche Menge Pappkartons steht noch ungeöffnet in meinem Zimmer. Wenn ich mir die wegdenke ist es schon fast gemütlich eingerichtet. ‚Gemütlich‘ muss erstmal reichen. ‚Hübsch‘ oder ‚mit System‘ kommt vielleicht wann anders mal. Ich übe das gerade mit dem erreichbare Ziele setzen. Wer das noch üben sollte, ist die Bahn. Die scheint nämlich öfter so was zu denken wie ’na gut, jetzt Schienenersatzverkehr, aber die nächste Verbindung fahre ich wirklich‘ Tut sie dann aber leider nicht. Und dann steht mensch da, als frisch zugezogene*r Neubodenburger*in und flucht ein bisschen vor sich hin und friert eine Stunde am Bahnhof, und geht dann wieder nach Hause. Ansonsten toben weiterhin drei Katzen durchs Haus, die Hühner freuen sich wenn sie Winterauslauf haben und auch mal im Tomatenbeet buddeln können und der arme empfindliche Hahn darf ab und an im Haus übernachten wenn es gar zu kalt ist. Außerdem haben wir Dienstagabend als gemeinschaftliche Pasta-Party festgelegt. Es ist gut sich als WG wenigstens ein mal in der Woche fest zu verabreden, um etwas ordentliches zu essen und wichtige Themen zu besprechen. Z.B. ob nicht alternativ auch ein Nudel-Nachmittag, ein Auflauf-Abend oder ein Kartoffel-Klönschnack in Frage käme. Was den Namen des dienstäglichen Dinners angeht, herrschten heute noch Unstimmigkeiten. Wir waren uns aber einig, dass Januar und Februar eigentlich Monate sind, die am besten für einen entspannenden Winterschlaf genutzt werden sollten. In diesem Sinne wünsche ich noch ein okayes Jahr 2023, mit halbwegs gesunder Ernährung, Erreichen von manchen Zielen und dass mehr Sachen unerwartet klappen, als danebengehen.
Ein Fußbad für den Hahn (auch ein guter Titel für einen Arthouse-Film?) Abenteuer Umzug: Tankanzeige? Fehlanzeige. Seitentür geht nicht auf, Hintertür muss zugeknotet werden. Aber Verkehrssicherheit passt und der Preis auch.
Egal, wie viele Schuhregale wir aufstellen (im Moment sind es drei), innerhalb kurzer Zeit quellen die Schuhe aus ihren Verstecken, machen sich breit und belagern den Flur. Die besonders frostempfindlichen wärmen sich an Ginis Heizung, die robusteren Exemplare nehmen mit unserer Dreckschleuse vorlieb. Die Gummistiefel wickeln sich hinterhältig um unsere Füße, wenn wir ahnungslos von draußen hereinkommen und das Licht nicht anmachen. Die dreckbespritzten Outdoorhelden wollen nicht mit den feinen Chelsea Boots in einem Schuhschrank stehen und bleiben lieber gleich davor.
Was sollen wir tun? Ausmisten, sagen Kerstin, Gini und Katalin. Neues Jahr, weniger Schuhe! Lasst uns Marie Kondos „Magic Cleaning“ bestellen und allen Schuhen, die nicht glücklich machen, für ihre langjährige Arbeit danken, sie liebevoll auf die Lederhaut küssen, bevor sie das Haus verlassen müssen.
Neiiin, sagt Jan, ich sortiere keine Schuhe aus! Die können wir alle noch gebrauchen. Wir müssen nur mehr Schuhregale aufstellen.
… wünschen wir allen, die auf unserer Internetseite vorbeischauen. In den letzten Monaten haben mal wieder ziemlich wenig geschrieben. Wie das so ist, man hat immer so viel zu tun. Ein erfreulicher Grund: Kerstin hat einen neuen Job! Zwei Tage die Woche arbeitet sie in einem kleinen Outdoorladen in der großen Stadt. Sie ist ganz glücklich mit Kolleginnen, Kollegen und Chefs. Aber sie hat natürlich auch zwei Tage weniger Zeit für Haus, Katzenbilder und Organisation. Dafür macht Gini jetzt ein bisschen mehr Organisation.
Was es sonst noch neues gibt: Die Bahn nach Bodenburg betreibt nicht mehr die Nordwestbahn, sondern eine DB-Tochter. Die haben neulich immerhin schon mal einen Schienenersatzverkehr hinbekommen statt einen ersatzlosen Zugausfall. Die Verkehrswende kommt voran in Bodenburg!
Das Gästezimmer ist erstmal wieder außer Betrieb, bis die verschiedenen Regierungen und wir einen Plan für den Infektionsschutz haben. Leider, denn im letzten Jahr haben uns die zusätzlichen Einnahmen wirklich geholfen. Und wir haben immer wieder interessante Leute kennengelernt: Vietnamesische Sushi-Köche, Radfahrer*innen und Hochzeitsgäste zum Beispiel.
Wilma und seine Mädels nehmen ein Staubbad.
Außerdem wohnen jetzt seit einigen Monaten drei Lachshuhn-Damen bei uns. So ist Hahn Wilma nicht mehr alleine. Die drei sehen fast gleich aus und heißen darum Vroni, Fanny und Phryne. Sie sind sehr puschelig. Damit man sie unterscheiden kann, hat Kerstin eine Bestimmungskarte gemalt.
Vor kurzem ist mir aufgefallen, dass es hier zu einigen Sachen nur Ankündigungen oder ganze kurze Meldungen gab, aber dann keine weiteren Informationen. Falls euch interessiert, was daraus geworden ist, starte ich mal die kurze Serie „Was wurde eigentlich aus…?“. In der werden wir in den nächsten Monaten ein bisschen zu den ganzen offenen Themen berichten. Los geht es mit den Veranstaltungen im Sommer.
Da war zunächst mal „Was ist deine Baustelle“ im Juli. Die Veranstaltung bestand aus einem Lehmbau-Workshop, einem archäologisch-psychologischen Workshop zu artgerechter Selbstorganisation – und einer Lesung zum Thema Baustellen.
Im Lehmbau-Teil gab es Stationen zu allen Schritten, die zum Verputzen einer Wand mit Lehm gehören: Unter Kerstins Anleitung mischten alle begeistert Lehmputz an, besserten Wände aus und versuchten sich an Unter- und Oberputz.
Lehmputz und Rührmaschine stehen bereit.
Der Putz wird angemischt.Hier sieht man die im Workshop ausgebesserte Wand in der Durchfahrt.Und hier verputzen zwei Workshop-Teilnehmende sehr ordentlich einen Teil der Wand in der Remise mit Oberputz. Glaube ich zumindest. Die Unter- und Oberputz-Übungswände kann ich nicht gut auseinanderhalten, weil sie beide super-ordentlich aussehen.
Das hat Kerstin und auch den Teilnehmenden offensichtlich Spaß gemacht. Lehmputz ist halt einfach ein tolles Material, weil man sehr schnell lernt, es zu verarbeiten. Und ich hatte den Eindruck, dass es auch viel Freude an der sinnlichen Erfahrung gab. Am Spielen im Matsch sozusagen.
Zur Mittagspause gab es – zum Thema passend – vegane Mettbrötchen. Danach haben wir uns dann damit beschäftigt, warum unsere Steinzeitgehirne schwierige Baustellen so gerne aufschieben und was wir tun können, um das ein bisschen in den Griff zu bekommen.
Alle zusammen beim archäo-psychologischen Vortrag…
Da sind wir mit teilweise erschreckend konkreten Vorsätzen rausgegangen. Aber es hat auch Spaß gemacht.
Und schließlich zum Abschluss und zum Erholen von den äußeren und inneren Baustellen: Autorinnenlesung mit Artist-in-Residence Virginia Brunn.
Was für ein Glück, dass in Virginias aktuellem Buchprojekt auch ein Kapitel über Baustellen vorkommt!Masken tragen mussten wir nur drinnen. Corona-technisch sind Veranstaltungen unter freiem Himmel schon ganz klar einfacher. Abends gibt die Outdoor-Wohnzimmer-Bühne auch noch einen ganz gemütlichen Sitzplatz ab.Momo beim Versuch die Spendenkasse zu klauen. Was sie damit wohl gemacht hätte?
„Was ist deine Baustelle“ war übrigens gar keine Fachwerkhuhn-Veranstaltung, trotz der großen personellen Überschneidungen. Veranstalter war nämlich das Schwalbennest, ein Verein für nachhaltige Kulturveranstaltungen, den wir vor zwei Jahren mitgegründet haben. Vielen Dank nochmal an alle Vereinsmitglieder, die mitgeholfen haben! Auf der Vereinshomepage Schwalbennest-ev.de ist zur Zeit nichts los, aber auf der Festivalhomepage kikeriki-festival.de könnt ihr schon mal sehen, was der Verein bisher so auf die Beine gestellt hat.
Werbung zum Schluss: Wer Lehmwände haben möchte, sich aber nicht ans Selbermachen traut oder zu viel Wand für zu wenig Hände hat, findet bei Leibssle Lehmbau sehr freundliche und fachkundige Hilfe. Bei uns haben sie unter anderem die Außenwand in Kerstins Zimmer isoliert, das war uns zu schwierig.
Wir öffnen wieder zum Tag des offenen Denkmals! Am 12. September kann man von 11-18 Uhr unser Haus besichtigen. Auf dem Innenhof gibt es Kürbissuppe, Kaffee und Kuchen. Bei schlechtem Wetter verlegen wir unser Hofcafé in die offene Remise.
Den ganzen Tag bieten wir Führungen in kleinen Gruppen durch unser Haus an, wo wir etwas zu unseren bisherigen Renovierungen erzählen.
… die Küche renovieren wollten wir. Nur ein bisschen, in einer der berüchtigten Bauwochen. In denen verabreden wir uns zum Bauen und laden Freunde und Familie zum Helfen ein. Die Stromkabel mussten ersetzt werden, weil wir den Verdacht hatten, dass die Wand hinter dem Herd zu viel Strom verbraucht. Es ist auch schon mal eine Verteilerdose weggeraucht, als jemand den Toaster eingeschaltet hat. Das konnte so nicht bleiben. Na, und wenn sowieso ein Streifen von der 50 Jahre alten Tapete weg muss, kann sie ja eigentlich auch ganz ab.
Wie das manchmal so ist, kam beim Abreißen der Tapete ein bisschen Putz mit. Also, eigentlich ziemlich viel Putz. Jetzt sind drei von vier Wänden neu verputzt, und wir haben eine Entdeckung gemacht: Zwei Außenwände in der Küche sind scheinbar nicht mehr original – die Lehmwände wurden durch roten Backstein ersetzt. Es ist nicht mal sicher, dass die Fachwerkbalken noch da sind. Das erklärt vielleicht auch die merkwürdige Verteilung der mintgrünen Fliesen in der Küche. Da sind nämlich alle Wände sind bis ca. 1,20 m Höhe gefliest – bis auf eine, an der die Küchenzeile steht. (Dort wo die Fliesen am nützlichsten wären.) Da war es wohl nach der Reparatur zu aufwändig mit dem Fliesen.
Jetzt haben Gini und Kerstin zumindest dort, wo der Herd steht, noch ein bisschen gefliest, als Spritzschutz. An einer anderen Stelle werden die Fliesen vermutlich verschwinden. In der Wand zum Flur hin ist der Schwellbalken durch Feuchtigkeit zerstört (ja, das ist der auf dem das ganze Haus steht). Die Wand muss also zumindest bis zum zweiten Balken von unten abgerissen werden. Zum Glück haben wir eine Zimmerei gefunden, die sich der Balken-Problematik annehmen wird. Die Familie hat auch schon Unterstützung zugesagt, damit ist die Finanzierung halbwegs gesichert – und schon haben wir eine neue Baustelle! Na ein Glück. Nicht dass es noch langweilig wird.
Man könnte ja meinen, wir seien eine Kommune, da wir uns mit vielen linken Themen beschäftigen und dabei eine Hausgemeinschaft mit Selbstversorgerpotential sind. Wir haben aber keinen programmatischen Überbau, jeder von uns ist frei, sich auf eine beliebige Partei einzulassen, Yoga oder Gymnastik zu machen, an Jesus oder Wiedergeburt zu glauben, polyamor oder monogam zu leben. Das macht das Ganze für mich so attraktiv, wir sind eine Gemeinschaft. Wir leben zusammen, sind aber keinen Dogmen ausgesetzt – außer unseren eigenen. Das zum Verständnis. Was genau macht uns dann eigentlich aus? Weswegen sollte eigentlich jeder von euch hierher ziehen? 😉 Ich glaube, es ist unsere Sehnsucht danach in einer Gruppe zu leben und so verschiedenen Einflüssen ausgesetzt zu sein und es ist unsere Ausprobierfreude. Bei uns ist alles Programm, worauf wir gemeinsam Lust haben. Natürlich bewegen wir uns alle von vornherein in einem alternativen Themenfeld, sind interessiert an Umweltschutz, sind Tierfreunde und probieren auch mal sechs Wochen lang aus plastikfrei zu leben. Aber wir bleiben dabei flexibel, wir tauschen uns darüber aus, was geht und was nicht geht. Verurteilen uns nicht für Ausnahmen.
Jan und Kerstin haben sich irgendwann dafür entschieden, dass sie ein Zusammenleben in Zweierkonstellation irgendwie nicht ausgewogen finden, ein paar Mitbewohner_innen mussten her. Ich halte das für einen sehr spannenden Lebensentwurf. Das Zwischenmenschliche ist nicht in einem Doppelpack eingeschlossen, sondern lässt sich im Umfeld von drei oder mehr Menschen verhandeln. Es wird entzerrt. Jan sagt: „Ich finde nur zu zweit zusammenzuleben für mich richtig unattraktiv.“ Wenn die Küche nicht aufgeräumt ist, verhandeln Paare das auch immer als Beziehungskonflikt. In einer WG sei nicht alles beziehungsintern. „Du hast wieder deine Wäsche liegen lassen, ich glaube, du liebst mich nicht mehr“, dieser Ansatz wird bei uns selten als Instrument verwendet, sagt Kerstin.
Kerstin meint zudem: „Es hat auch wirtschaftliche Gründe.“ Für uns alle ist es deutlich angenehm, dass wir unsere Ressourcen teilen. Wir kaufen gemeinsam ein, es gibt immer genug zu Essen im Haus. Das Haus kann vor allem so aufrecht erhalten werden, weil wir alle gemeinsam mithelfen und es durch Lohn oder Miete mitfinanzieren. Schon in einer sehr alten Schrift steht geschrieben – ich bin hier die Christin im Haus, deswegen darf ich das schreiben – es ist genug für alle da, wenn man nur teilt. Obwohl unser aller Verhältnisse bescheiden sind, leben wir gemeinsam ein gutes Leben.
Auch für unsere Tiere, Hühner und Katzen, ist das Zusammenleben ein Vorteil, sie sind immer versorgt, auch wenn mal jemand in den Urlaub fährt. Und Jan sagt: „Wir hätten ein Eierproblem, wenn Kerstin und ich nur zu zweit wären.“ Was er damit meint: Sie wüssten nicht wohin mit der großen Anzahl. Wir haben tatsächlich gerade zwei Zimmerchen ausgeschrieben, die auf neue Mitbewohner warten. Vielleicht fühlt der ein oder andere sich angesprochen und möchte gerne mit Kerstin, Jan, Katalin, Momo, Una, Piri, den Hühnern und mir zusammenwohnen. Wer weiß…