„Blau wie das Meer…“

Beim Reinigen der blauen Zimmerwände… singe ich immer vor mich hin, wenn ich auf der Baustelle in meinem Zimmer bin. Das ist ein Lied von Mr. Hurley und die Pulveraffen, ein penetranter WG-Ohrwurm, verstärkt dadurch, dass mein Mitbewohner es immer auf einer durchsichtig-roten Plastikflöte von Woolworth („Nur 1,99!“) zu spielen versucht, und wir ihm dann was an den Kopf werfen müssen. Wer auch schon immer mal einen Ohrwurm mit historisch fragwürdigem Piratenromantik-Flair haben wollte, bitte sehr:

Aber ich schweife ab. Als ich das erste Mal einen Streifen Blümchentapete und die darunter geklebte Hildesheimer Allgemeine von 1963 entfernt habe, wusste ich nicht, ob ich begeistert oder entsetzt sein sollte: direkt auf dem Lehmputz war die Wand knalleblau. Ultramarinblau. Das ganze Zimmer.

Ich habe es meiner Mutter am Telefon erzählt, und die hat gleich gesagt: „Klar, so ab Mitte des 19. Jahrhunderts konnte die Farbe erstmalig synthetisch hergestellt werden!“ (Sie ist Chemikerin).

Passt. Unser Haus ist von 1845. Hat der Chirurg, der das Haus gebaut hat, begeistert auf die plötzlich erschwingliche Farbe zurück gegriffen?

Ursprünglich nämlich heißt Ultramarinblau nämlich nicht so, weil’s so blau wie das Meer ist, sondern weil es von jenseits des Meeres kommt (azurro ultramarine): aus Afghanistan. Lapislazuli auf dem fernen Osten wurde schon im Mittelalter importiert und als Pigment unter anderem für das Malen der schönen blauen Marienmäntel auf Altären verwendet.

So war es als ordinäre Wandfarbe natürlich etwas teuer, und wurde schon 1824 ein Preis ausgesetzt für den, der als erstes Ultramarinblau synthetisiert.* Das gelang dann auch 1828 etwa zeitgleich in Deutschland und Frankreich, und 1834 entstand die erste Ultramarinfabrik in Deutschland. Und bald darauf konnte man sich knalleblaue Wände leisten.

Und nach langem Hin- und Herüberlegen werden die Wände auch wieder ultramarinblau (im Moment sind sie dunkelbraun, weil frisch lehmverputzt). Und dank Jean-Baptiste Guimet mussten wir jetzt beim Farbenhändler unseres Vertrautens (Kreidezeit) nur etwa 20 Euro für die Pigmente bezahlen.

 

*Fundiertes Wikipedia-Wissen.

3 Gedanken zu „„Blau wie das Meer…““

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