Fund im Kühlschrank

Oder: „Aus dem Zusammenleben mit einer Archäologin

Vor ein paar Wochen wollte ich aus unserem Hauswirtschaftsraum etwas aus dem Kühlschrank holen. Wir haben nämlich nicht nur in der Küche einen, sondern auch noch einen dort stehen, den wir zwar nur selten benutzen, der aber doch recht praktisch ist, falls mal der andere zu voll wird oder wir viel Besuch erwarten. Ich habe nicht das gefunden, was ich gesucht hatte, dafür aber eine Plastiktüte im unteren Fach. Eine große Plastiktüte. Was da drin war, wusste ich nicht, also hab ich die anderen gefragt, was denn diese Plastiktüte dort mache. Die Antwort kam von Kerstin.

Astrid am Kühlschrank
Szenennachstellung

Man muss wissen, Kerstin war in ihrem früheren Leben Archäologin und daher auf vielen Ausgrabungen, von denen sie auch immer wieder spannende und absurde Geschichten erzählt. Der Inhalt der mysteriösen Plastiktüte im Kühlschrank war ein Unterkiefer. Nein, das stimmt nicht genau. Es waren 3 Unterkiefer und 2 Backenzähne. (!!!) Im Kühlschrank. Bei uns im Haus. Einfach so. Ich war als Kind des öfteren und sehr gerne in archäologischen Ausstellungen und hatte dadurch auch schon den ein oder anderen Unterkiefer gesehen. Aber halt bisher ausschließlich in Museen. Nicht in einem Privathaus. Geschweige denn in einem, in dem ich wohne! Die nächste Zeit konnte ich nichts anderes machen, ich kam überhaupt nicht darauf klar, dass bei uns zu Hause ein, ääh… drei Unterkiefer einfach so im Kühlschrank waren.

Später hat sie dann erzählt, dass sie von einer Ausgrabung stammen und sie versäumt hatte, diese abzugeben. Also lagen bei uns ca 5.000 Jahre alte Unterkiefer. Vergessen abzugeben. Passiert halt.

Mittlerweile hat Kerstin es doch noch geschafft, sie abzugeben, jetzt liegen die Kiefer professionell eingefroren im Landesamt in Halle. Wo sie hingehören.

Gerade eingezogen…

… und schon geht’s los mit der Kultur: am 01.06. habe ich meine Möbel zwischen und auf die Möbel vom Vorbesitzer geworfen, und am 03.06. kam dann ein Filmteam und hat eine weitere Lage an Schweinwerfern und Aluboxen hinzugefügt. Dann sah es ungefähr so aus:
Zimmer voller Zeug
Einige Leute von der Universität Hildesheim hat unser weitgehend unrenoviertes Haus für ihren Spielfilm „Morgen“ gut gefallen. Und noch bevor ich mich gemütlich einrichten konnte, haben sie erst einmal alles umgeräumt. So sah unser Gästezimmer aus, nachdem es zum Krankenzimmer für einen alten Herrn umgestaltet worden war:

Zimmer mit Hirschgeweihen

Es war das erste Mal, dass ich bei einem Filmdreh dabei war. Man braucht dafür ziemlich viele Leute. Es war also unerwartet wuselig. Eigentlich hatte ich mich für die ersten Tage auf gruselig eingestellt, so alleine in einem riesigen alten Haus… Stattdessen hatte ich jede Menge nette Gesellschaft. Nicht nur nette, sondern auch sehr dankbare, denn die Dreharbeiten haben oft bis morgens um drei oder vier gedauert, und dann haben sich am nächsten Tag alle über große Mengen Eiskaffee gefreut. Und es wird dann auch erstaunlich warm in einem Fachwerkhaus, wenn draußen dreißig Grad sind, und sich drinnen zehn Leute und mehrere große Scheinwerfer ein kleines Zimmer teilen.

Statt also alleine im Finstern in meinem Bett zu liegen und auf jedes Geräusch zu hören, bin ich irgendwann so um Mitternacht mit der Zahnbürste in der Hand zwischen fünfzehn Leuten durchgelaufen, habe „Gute Nacht“ gesagt und mir Ohropax reingemacht und die Augen fest zu, wegen der Scheinwerfer auf dem Hof.

Spannend fand ich die Bühnenbildarbeiten – dass Leute es schaffen, ein Zimmer in kurzer Zeit komplett umzukrempeln, und es dann so aussieht, als wären Möbel und Bilder seit dreißig Jahren an ihrem Platz!

Und dann wird ein paar Stunden gewuselt, die Kamera und die Beleuchtung umgebaut, mit dem Schauspieler über seinen Bart diskutiert und die Vorhänge noch einmal mit doppeltem Klebeband festgeklebt; für anschließende wenige Minuten Drehzeit, bei denen dann absolute Stille herrschen muss und alle hoch konzentriert sind. Fertig. Wieder zwei Stunden Umbauarbeiten.

Bei dem Filmdreh habe nicht nur ich unser Haus zur Verfügung gestellt, Eiskaffee gekocht und beim Catering ausgeholfen, sondern ganz Bodenburg hat mitgemacht: die Filmleute durften den Bullenstall des Kunstvereins als Basislager verwenden, die Freiwillige Feuerwehr hat die Straße gesperrt und Nachbarn haben mitgespielt (oder ihre Hunde und Schafe). Und sich sogar für eine Straßenszene bereit erklärt, nach zehn Uhr abends ihre Häuser nicht mehr zu verlassen, damit Türen und Fenster zugeklebt werden können.

Hier ist eine Bildergalerie: